Anfang des Jahres 2000 bat mich JVD, die Organisation des Ägyptenrallye, sie
in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu vertreten. Natürlich übernahm ich
diese Aufgabe gerne, denn hinter dem Konzept und der Durchführung der Rally of
Egypt kann ich voll stehen. Außerdem macht es mir Freude, andere zu informieren
und an dem Abenteuer Wüste teilhaben zu lassen. Wer die anderen nordafrikanischen
Länder bereits bereist hat, für den ist Ägypten eine großartige neue Erfahrung.
Aber auch für Rallye-Einsteiger ist die Ägyptenrallye gut machbar: die Strecken
sind nicht zu lang und nicht zu anspruchsvoll. Preislich ist die Rally of Egypt
mit den anderen Wüstenrallies (außer der Dakar) vergleichbar.
Somit meldete ich mich nach einem Jahr Pause ein zweites
Mal für die Rallye an. Ich war schon bei der ersten Ausgabe 1998 dabei und mir hat die
Rallye damals gut gefallen, obwohl ich am ersten Tag einen Motorschaden hatte (siehe
Bericht). Trotzdem blieb insgesamt ein positiver Eindruck, vor allem wegen der tollen
Strecken und der supernetten italienisch-belgischen Organisation. Neu war für mich, dass
ich völlig auf mich allein gestellt war. Ich wusste gar nicht, ob ich die Rallye alleine
schaffen würde.
Seit anderthalb Jahren war ich zudem keine Wüstenrallye mehr gefahren, Tunesien 99 zum
letzten Mal. Außerdem stellte sich die Frage: Welches Motorrad? Damals hatte ich eine
Rallye-660er von KTM ausgeliehen. Die musste ich nach der Saison 99 wieder abgeben. Bei
der Rosenheimer Firma Griesser stand immer noch meine alte LC 4 400 zum Verkauf. Sie war
zwar nicht mehr der Hit, aber besser als nichts. Vor allem besaß sie ein perfekt auf mich
abgestimmtes Fahrwerk. Ich organisierte einen 660er-Motor mit E-Starter, und Griesser
Motosport baute die Maschine nach meinen Wünschen um.
Wie immer wurde alles ein bisschen knapp bis zum Verladetermin, so dass ich nurmehr ein
paar Kilometer drauffahren konnte, um dem Motor wenigstens eine Erstinspektion zu
verschaffen. Aber das hat gereicht, das Motorrad war perfekt, ich hatte rein technisch
gesehen keinerlei Ärger während der Rallye.
Verladen in Genua, Flug nach Kairo, Shuttle-Service vom Flughafen zum Hotel und am
nächsten Morgen hat alles hervorragend funktioniert. Teilweise ein bisschen auf den
letzten Drücker, aber irgendwie klappt es dann doch immer.
Eine Sensation ist natürlich der Start bei der Sphinx vor den Pyramiden. (Bild 1) Nach
dem Absolvieren der Startrampe geht es erst mal über Asphalt aus Kairo raus bis zum Start
der 1. Speziale. Die war knapp hundert Kilometer lang, mit nicht ganz einfacher
Navigation, keine richtige Piste, viel Kompassfahren, aber Super-Ausblicke. Ich brauche
immer meine Zeit, um den Schreibtisch aus den Knochen zu schütteln. Deshalb fuhr ich
langsam, machte ein paar Navigationsfehler unter anderem an einem langen Graben. Im
Roadbook stand ausdrücklich: rechts halten. Ich blieb natürlich links, bis der Graben
einen Knick nach links machte. Damit war mir der Weg versperrt. So weit das Auge reichte,
der blöde Graben. Er war steilwandig und spitz zulaufend, dazu weichsandig, so dass ich
mich nicht traute, hineinzufahren. Ich musste also wenden und die ganzen 4 oder 5 km
zurück, bis zu der Stelle im Roadbook, an der es hieß: rechts. Ich erreichte das Ziel
als Vorletzte. Hat mich natürlich geärgert und ich beschloß, mich in Zukunft am Riemen
zu reißen.
Am nächsten Tag ging es mir schon besser, dafür fielen etliche Mitstreiter aus.
Darunter Henk Vercoelen, der Dakar-erfahrene Holländer und Alberto Morelli, ein
italienischer Amateur, der auch schon x Rallies gefahren ist. Hier offenbarte die
Ägyptenrallye ihre Tücken: Sie ist zwar fahrtechnisch nicht schwierig. Aber wie immer in
der Wüste tauchen an den unpassendsten Stellen Gräben, Wellen oder Abbrüche auf. Wenn
man da nicht mehr reagieren kann, setzt es böse Stürze. Von denen gab es etliche,
glücklicherweise aber keiner so schlimm wie der von Peer Bartels im letzten Jahr. Diese
Geschichte hat sich die Organisation sehr zu Herzen genommen: Das Mediziner-Team wurde auf
23 Personen aufgestockt, mit Helis, Autos und einer mobilen Klinik. Fachärzte für
Chirurgie, Anästhesie etc. waren mit dabei. Die Organisation, allen voran Jacky Ickx, ist
stets auf der Seite der Teilnehmer und möchte natürlich bei allem Anspruch, dass die
Leute Spaß haben und heil nach Hause kommen.
Mieser Sprit
Holger Roth vom KTM-Team kam abends vorbei und baute meiner KTM eine Zündbox mit einer
anderen, speziell für das schlechte Benzin passenden Zündkurve ein. Das hat mir meinen
Motor wahrscheinlich gerettet, denn ein paar Tage später in Hurghada erwischte ich
derartig miesen Sprit, dass die Maschine nur noch kotzte und spuckte und völlig
unerklärlich aufzujaulen begann. Holger meinte, das läge am unreinen Treibstoff.
Tatsächlich wurde es dann mit Flugzeugbenzin und Sprit von zuhause, der noch in unserem
Kanister war, besser.
Keine technischen Probleme
Mechanisch hatte ich glücklicherweise keine Schwierigkeiten. Die KTM ist eben ein
Goldstück, und Griessers Mechaniker Andi hat sich wirklich Mühe gegeben. Nur die
Navigation machte laufend Ärger. Erst fiel die Handbedienung vom Tripmaster aus. Das
Gerät selbst funktionierte, aber die Handbedienung eben nicht, war wohl Dreck
hineingekommen. Somit konnte ich den Kilometerstand nicht nachkorrigieren, denn das geht
nur mit der Handbedienung. Also musste ich immer rechnen: "Am Stein x sollte der
Kilometerstand 56,8 betragen, bei mir war er aber 55,6, daher mußte die nächste
Abzweigung eine Kilometer eher kommen als im Roadbook eingetragen." So ungefähr war
ich dauernd am überlegen. Dann ging der Daumenschalter des Roadbook nicht mehr. Sch.,
aber ich drehte eben per Hand weiter. Dieses Problem ließ sich am Abend im Biwak beheben,
ich hatte noch einen in Reserve dabei. Danke an diese Stelle an den Schweizer Patrick vom
Fasola-Team, der ihn mir eingebaut hat.
GPS fällt aus
Am schlimmsten war jedoch, dass mir vier Tage vor Schluß das GPS ausfiel: Auf den
letzten Kilometern vor Hurghada bei einer Ansammlung von fürchterlichen Bodenwellen flog
zweimal hintereinander das Garmin 126 aus der Halterung. Beim zweitenmal riß das Kabel.
Aus die Maus, das 126er hat nur eine Bordversorgung und geht nicht über Batterie wie die
anderen Modelle. Wir tauschten abends das Kabel, die Sicherungen, überbrückten
schließlich, nichts half. Ich musste eben ohne Satellitennavigation mein Glück
versuchen. Die beiden letzten Tage liefen daher echt bescheiden. Es musste oft querfeldein
nach Kompasskurs gefahren werden, da war ich dann aufgeschmissen. Es bedeutete: warten,
bis mich jemand einholte, das war natürlich immer jemand, der eh schon langsamer war als
ich, und dem hinterherfahren. Sowas hasse ich. Am letzten Tag wäre es fast noch knapp
geworden, da war rund die Hälfte "hors piste". Viele haben sich noch verfahren.
Ich glücklicherweise nicht, weil ich umso konzentrierter versuchte, mir aus Roadbook,
Spuren und Staubwolken den richtigen Weg zusammenzureimen.
Am Ende wurde ich zweite Dame nach Andrea Mayer und vor Paola Pelizzeni aus
Italien, die xmalige italienische Rallyemeisterin. Was mich am meisten überraschte,
war, wie gut es mir ohne "Rucksackfahrer" ging: Ich fuhr immer konzentriert,
machte fahrerisch weniger Fehler als vorher, weil mich niemand hetzte und war
unterm Strich schneller. Diese Erfahrung hat mich einen Schritt nach vorne gebracht.
Ägypten-Rallye 1998
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