Nicht zu glauben auch in Deutschland
gibt es Rallies im Sinn des Wortes. Nämlich Offroad-Motorradfahren über längere
Strecken (also nicht nur öde Runden auf der Motocrosspiste) mit Navigation: die
Thüringenrallye und die Frankenwaldrallye. Beides hervorragend ausgearbeitete,
supergelungene Veranstaltungen mit hohem Funfaktor.
Die Thüringenrallye veranstaltet Falkmar Kreutzer, hauptberuflich
Pilot, als Freizeitbeschäftigung. Eigentlich liegt nur Start und Ziel in Thüringen, die
Rallye geht zwei Tage lang durch Sachsen-Anhalt. Ausgangspunkt ist ein kleiner Ort Nähe
Naumburg. Man fährt nach Roadbook bestimmte Punkte an, bei denen man seine Starterkarte
mit dem dort hinterlegten Stift selber abzeichnet. Es gibt eine Max-Zeit mit 1 Stunde
Karenz, wer die nicht einhält, kriegt Ärger und Punktabzug. Von außen betrachtet ist
das eigentlich schon alles.
Oder auch nicht. Sachsen-Anhalt gehört zu den am dünnsten besiedelten Gebieten
Deutschlands. Es gilt als strukturschwach. Dementsprechend viele Wege sind (noch)
ungeteert. Ihr merkt, worum es geht? Falkmar Kreutzer hat mit seinem Team eine sehr
ansprechende Route ausgearbeitet, meistens recht flüssig zu fahren, viele Feldwege, viele
Abzweigungen, hier kommt es auf die Navigation an, damit man den entscheidenden Weg nicht
verpasst. Aber auch fahrtechnische Bonbons sind dabei, wie eine Steilauffahrt im Wald, an
der sich etliche ordentlich plagen mussten, inklusive mir. Keine Angst, es gab eine
Umfahrung.
Zu den speziellen Highlights gehört ein Braunkohle-Tagebaugebiet. Wer schon mal in
Senftenberg war, hat vielleicht eine Vorstellung, wie so eine vom Menschen geschaffene
Mondlandschaft aussieht. Und hierdrin galt es, den verdammten Stift zu suchen. Eine
Stecknadel im Heuhaufen ist nichts dagegen. Ich habe den Tagebau bestimmt fünfmal
durchfahren, bis ich den Punkt gefunden hatte.
Aber genau das hat riesig Spaß gemacht. Wer die
Rallye gewinnen will, sollte natürlich die Punkte auf Anhieb finden und dazwischen
ordentlich Gas geben. Sportlich hat sie zwar keinen Stellenwert, aber man muß alle
Register ziehen, will man innerhalb der Zeit die Strecke komplett abfahren.
Ich war bei der Frühjahrsveranstaltung dabei, an Ostern 99, die Sommer KTM aus
Oberhausen für Kunden und Freunde ausgeschrieben hatte. Meine KTM, mit der ich eine Woche
später auf die Tunesienrallye wollte, war damals nagelneu, ich hatte sie gerade vom
Stöcklmeier in Ursensollen abgeholt, und die Thüringenrallye bot eine gute Gelegenheit,
sie einzufahren und auszuprobieren. Ich habe mir erlaubt, am nächsten Tag, als es in
Strömen regnete, zu kneifen, einfach aus dem Grund, weil ich mein schönes neues Moped
nicht dreckig machen wollte.
Ich kann die Thüringenrallye jedem nur empfehlen, der sich abseits befestigter
Straßen mit dem Roadbooklesen vertraut machen möchte. Ganz nebenbei hat man die Chance,
unbekannte, wunderschöne, teilweise bizarre Gegenden Deutschlands kennenzulernen. Tolle
Veranstaltung. Falkmar Kreutzer schaltet keine Inserate mehr, ihm reicht inzwischen die
Mundpropaganda. Termine und sonstiges zur Thüringenrallye am besten bei Sommer KTM,
Thomas Lutz, in Oberhausen nachfragen. Nicht vergessen: Grüße von mir ausrichten.
(Sommer KTM, Tel. 0208-62 95 60)
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